Meine Arbeit mit Oh! Gefühle hört nicht auf, spannend zu sein. Heute hatte ich das Vergnügen – äh, naja – mich mit meiner Traurigkeit nochmal intensiver zu beschäftigen. Es gibt einfach Gefühle, bei denen habe ich sehr viel Widerstand. Traurigkeit gehört definitiv dazu. Und dabei fühle ich sie so häufig. Es gibt ja auch so viele gute Gründe… ob man in die gegenwärtige Welt schaut, in die vergangene, und vielen von uns graut es erst recht ein bisschen vor der zukünftigen.
Mir sind heute jedenfalls eine Menge Glaubenssätze klar geworden, zum Beispiel, dass Traurigkeit es mir unmöglich macht, glücklich zu sein. Das ist wohl der Schwerwiegendste. Denn in meiner Vorstellung und in unserer aktuellen Weltlage ist es mir gleichzeitig nicht möglich, keine Traurigkeit zu empfinden. Habe ich mir ein Konstrukt erschaffen, in dem es mir nicht möglich ist, glücklich zu sein? Wie kann ich gleichzeitig in einer Welt leben, auf die ich mit Traurigkeit reagiere, ohne mir die Möglichkeit zu nehmen, auch Glück zu empfinden?
Ich kam zu der Erkenntnis, dass es vielleicht das Ausmaß ist, das die Traurigkeit so prägnant macht. Ich versuche so oft, die Traurigkeit aus meinem Leben rauszuhalten, damit ich mir das Glück nicht verwehre und es weiter finden kann. Ich schaue keine Nachrichten, ich konsumiere fast ausschließlich lustige oder banale Serien und Filme. Wenn mich etwas runterzieht, dann gehe ich zum Sport, um Endorphine nachzuladen. Doch wenn etwas passiert, das mir ans Herz geht, dann kann ich es nicht einfach ausschalten.Und dann ist sie meistens ziemlich überwältigend. Dann hat sie gleich unendliche Gründe im Schlepptau, weshalb sie berechtigt ist, denen ich aber im Alltag kaum Raum gebe.
Ich habe mir vorgenommen, meiner Traurigkeit mehr Platz zu erlauben. Und besonders in Glücksmomenten erinnere ich mich daran, dass die Umstände, die mich traurig machen, gerade nicht weniger geworden sind, nur weil ich glücklich bin. Vielleicht ist es die Hilflosigkeit, in welche die Traurigkeit sich verwandelt, wenn sie mich so stark überkommt. Vielleicht kann ich lernen, Traurigkeit früher zu empfinden und sie als Teil meiner Erfahrung zu integrieren, ohne dass sie mich lähmt.
So eine Einsicht gibt mir viel Hoffnung – in erster Linie natürlich, weil ich mir vorstellen kann, dass so der Schmerz ein wenig gelindert wird, oder ich ihn leichter annehmen kann, wenn er in kleinen Dosen kommt. Am meisten wundert mich aber einfach, wie leicht sich meine Beziehung zu diesem Gefühl immer weiter vertieft und bereinigt. Mit meinem Widerstand mache ich es nur schlimmer, als es sein muss. Der Verlust von geliebten Menschen und Tieren, die Zerstörung von Leben und Lebensumständen, Trennungen etc. – die Traurigkeit ist berechtigt und bedarf meiner Aufmerksamkeit, um ein Stück weit zu heilen. Ich möchte die Traurigkeit in meinem Leben nicht ausmerzen, dafür ist sie viel zu sinnvoll als Reaktion auf die vielen Ungerechtigkeiten in der Welt. Ich möchte aber vielleicht etwas weniger von ihr eingenommen werden. „Sich in etwas verlieren“, das funktioniert schließlich in keiner Beziehung.